Market-Interview.com mit Frank Schäffler (über Euro-Krise)

 
 
Über Frank Schäffler:

Frank Schäffler ist seit 2005 Mitglied des Bundestages und Mitglied des Finanzausschusses. Er ist als Mitglied der Friedrich-August-von-Hayek-Gesellschaft e.V. Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie und tritt seit mehreren Jahren parlamentarisch und publizistisch für eine marktwirtschaftliche Geldreform ein. Er hat im Bundestag konsequent gegen alle Regierungsmaßnahmen zur Eurorettung und gegen die Energiewende gestimmt. Im Jahr 2010 ist er wegen seines Einsatzes für den Mittelstand vom Kuratorium der Verlagsgruppe markt intern zum Kustos des Mittelständischen Unternehmertums ernannt worden. Seit 2011 ist er Bezirksvorsitzender der FDP Ostwestfalen-Lippe und Mitglied des Bundesvorstands der FDP. Die Jungfreisinnigen des Kanton Zürich haben ihm den Liberal Award 2011 verliehen.

 
market-interview.com:  Herr Schäffler, Sie gehen mit Ihrer Kritik gegen die Euro-Rettungspolitik sehr offen um. Haben sich andere Parlamentarier hier einlullen lassen, und ist sich die Politik der Tragweite ihrer zuletzt getroffenen Entscheidungen noch bewusst? Was sind Ihre grössten Kritikpunkte in der EU-Geldpolitik?
 

Frank Schäffler: Es sollte gar keine Geldpolitik geben. Der Kapitalismus lebt vom freiwilligen, per Vertrag beschlossenen Austausch von Leistungen und Gütern. Doch die eine Hälfte jedes Kaufvertrags besteht aus einem staatsmonopolistischen Produkt, nämlich der von den Zentralbanken ausgegebenen Währung. Jeder Tausch wird also zur Hälfte mit einem Produkt bewirkt, das von ähnlicher Qualität ist wie der Trabi im Sozialismus – nämlich schlecht. Eine Marktwirtschaft wird durch schlechtes Geld pervertiert. In ihr kommt es zu Krisen des Banksystems und bei den Staatsschulden. Schlechtes Geld und darauf beruhender schlechter Kredit sind die gemeinsamen Ursachen. Der größte Fehler bei der Krisenbewältigung ist nun, die Ursachen für die Systemkrise nicht im staatlichen Einfluss, sondern bei den Marktteilnehmern zu suchen. Es ist kein Wunder, dass sich dann die Lösungsversuche auf das kurzsichtige Anprangern einer vermeintlichen animalischen Gier der Banker beschränken. Die Wurzel des Übels, das Geldsystem wird nicht angegangen. Statt Staatsgeld und Geldpolitik brauchen wir einen Wettbewerb der Währungen um das beste Geld.

 

 

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market-interview.com:  Die EZB (Europäische Zentralbank) versucht immer stärker Einfluss in der Fiskalpolitik der EU-Länder zu gewinnen, was u.a. durch die geplanteEinführung der Transaktionssteuer – also erste Steuereinnahmen für dasEU-Parlament – erkennbar ist. Auch wird durch den Beschluss der Anleihenkäufe von Krisenstaaten einfach frisches Kapital “unter das Volk gebracht”. Ist dies nicht eine Vermundung und geht dadurch die Souverentät der einzelnen EU-Staaten verloren?

 

Frank Schäffler:  Die EZB macht sicher viele Fehler, doch ist das ja ein sich gegenseitig befruchtender Prozess. Die Politik scheut die Übernahme der Verantwortung für die gemachten Schulden und vor allem davor, dem Wähler klipp und klar zu sagen, dass es mit einem Sozialstaat auf Pump nicht weitergehen kann. Ein Politiker, der Kürzungen verspricht, der wird nicht gewählt. Die Politik springt also eher zu kurz. Stattdessen muss dann die EZB ein bisschen weiter springen und versucht, die Lücke zu überwinden. Diese so genannte fiskalische Dominanz sorgt dafür, dass die EZB sich genötigt fühlt, ihren Auftrag zu verletzen. Mit dem früheren Ankauf von Staatsanleihen, dem beschlossenen OMT, ihrem Einfluss bei den Hilfsprogrammen, bei der Bankenunion und zuletzt mit dem Verstoß gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung gegenüber Irland wird die EZB fiskalisch, nicht geldpolitisch tätig. Natürlich ist dies eine Mandatsüberschreitung der EZB und weder demokratisch kontrolliert noch legitimiert. Ja, da geht auch demokratische Souveränität verloren. Die EZB gefällt sich wegen des Machtzuwachses selbstverständlich in dieser Rolle und die Regierungen machen keine Anstalten, die EZB durch ein juristisches Vorgehen wieder in ihre Schranken zu weisen.

 

market-interview.com:  Stichwort Sicherheit der Staatsanleihen: kürzlich wurde ein Gesetz in Brüssel verabschiedet, in dem die Rückzahlung von neu ausgegebenen Staatsanleihen nicht mehr garantiert wird. Liegt auch hier nicht ein Schritt zur “Enteignung”der Bevölkerung vor, zumal Lebensversicherungen etc. einen Großteil des Volumens exakt in diese Assetklasse “investiert”?

 

Frank Schäffler: Jeder Käufer von Staatsanleihen geht auch das Risiko ein, dass diese nicht zurückgezahlt werden. Dieses Risiko gab es immer und wird es immer geben. Das galt schon, bevor es die neuen Umschuldungsklauseln in frisch emittierten Anleihen gab. Man kann dieses Risiko nicht gesetzgeberisch beseitigen. Leider tun die Euro-Romantiker alles, um die Legende von ausfallsicheren Staatsanleihen am Leben zu erhalten. Das ist am Ende eine große Verdummung des Anleihensparers, der in die Röhre gucken wird.

 
 
market-interview.com:  In den Niederlanden musste kürzlich die Bank SNS Reaal mit staatlichen Mitteln gerettet werden, die durch faule Immobilienkredite zahlungsunfähig wurde. Knapp 10 Milliarden Euro wird aus dem Steuertopf für die Verstaatlichung entnommen. Kommt die Krise jetzt in den „reichen“ Kernländern der Europäischen Union an bzw. sehen Sie eine Immobilienkrise auf uns zukommen?
 

Frank Schäffler: Die Immobilienkrise ist längst da. Während in Deutschland die Preise noch enorm steigen, sind sie in der europäischen Peripherie schon eingebrochen. Unterdessen geht der Einbruch in den Kernmärkten gerade los. Es kommt als nächstes auf die FISH-Länder an – Frankreich, Italien, Spanien und Holland. Sie haben so große Volkswirtschaften, dass man sie nicht mit einem Darlehen aus ESM oder EFSF aus dem Feuer ziehen kann. Für diese Fehlanreize auf den Immobilienmärkten haben Euro und Krisenmanagement gleichermaßen gesorgt. Der Euro mit seinem Einheitszins hat die Verschuldung in Lateineuropa so günstig gemacht, dass Immobilieninvestments viel zu billig erschienen. Die Krisenbekämpfung der EZB in Form von weiteren Zinssenkungen transportiert das Problem jetzt in die ehemaligen Hartwährungsländer. Sobald auch hier die Preise fallen, zeichnet sich eine furchtbare Entwicklung für die Bankbilanzen ab.

 

market-interview.com:  Die Folgen der EU-Schuldenkrise sind vielerorts Arbeitslosigkeit, Armut und Perspektivlosigkeit. Sollen ihrer Meinung nach jetzt die Geberländer und die wohlhabenden Bürger innerhalb der EU noch stärker in die Pflicht genommen werden, um hier Abhilfe zu schaffen?

 

Frank Schäffler: Das Gegenteil wäre richtig. Umverteilung nimmt den Anpassungsdruck an sich verändernde wirtschaftliche Umstände und verzögert die Problemlösung. Es gilt: Je eifriger die Anpassungen vollzogen werden, desto rascher geht es aus dem Sumpf. Dazu muss der Staat seinen Würgegriff um Bürger und Wirtschaft lockern. Wenn Bürger und Wirtschaft frei atmen können, finden sie schneller neue Lösungen für ihre Probleme. Der Staat muss also Regulierungen streichen, Steuern senken und vor allem seine Ausgaben kürzen. Je forscher er das macht, umso eher ist die Krise vorbei.

 

market-interview.com:  Trotz massiver geldpolitischer Expansion (Gelddruck) scheinen einige Unternehmen (auch in Deutschland) vor einer Finanzierungklemme zu stehen. Basel III beispielsweise trocknet durch Bonitätsvorlagen vor allem Mittelstandunternehmen und junge Unternehmen aus. Wieso kommt das Kapital nicht bei den Unternehmen an, wo eigentlich die Arbeitsplätze und somit Wohlstand geschaffen wird, an?

 

Frank Schäffler:Zuerst einmal sind Mittelständler gut beraten, wenn sie sich mit Eigenkapital finanzieren statt durch Kredit. Kredit ist – wie jedes Vertrauen – flüchtig. Der Kredit ist also kein Kapital, denn Kapital bleibt dem Unternehmen dauerhaft gewogen, in guten wie in schlechten Zeiten. In meinen Augen geht Basel III daher nicht annähernd weit genug. Banken brauchen viel, viel mehr Eigenkapital. Sie operieren zuweilen mit einem Hebel aufs Eigenkapital von 25:1 und mehr. Das erst macht sie zum Systemrisiko. Kein Unternehmer agiert derart risikoreich und dennoch wird erwartet, dass Unternehmer und Unternehmen mit ihren Steuern – und nach Ansicht von rot-grün auch den Vermögen – für das Versagen der Banken und ihre Unterkapitalisierung gerade stehen. Das ist unfair.

 

market-interview.com:
 Braucht die europäische Politik eine neue Agenda, um die Herausforderungen der Krise zu meistern?
 

Frank Schäffler:  Ja, sicher, so viel ist klar. Wir müssen es zulassen, dass Staaten und Banken in der Eurozone bankrott gehen dürfen. Wir müssen den Austritt und den Ausschluss aus der Eurozone regeln. Wenn wir das nicht haben, dann entsteht eine für den Euro tödliche Anreizsituation. Der Euro wird nicht überleben, wenn Staaten und Banken über hohe Verschuldung risikoreiche Geschäfte eingehen können, für die Folgen aber nicht gerade stehen müssen. Banken und Staaten rauszuboxen ist aber nicht nur ökonomisch fatal, sondern vor allem moralisch fragwürdig. Wir fördern dann nämlich ein unethisches und unehrliches Verhalten. Was man fördert, davon bekommt man mehr. Wir gefährden damit alle europäischen Werte und riskieren neben dem ökonomischen auch den moralischen Bankrott unserer Gesellschaft. Wohin das führt, das sehen wir in den Krisenländern, in denen die politischen Ränder jeweils gestärkt aus den Wahlen hervorgehen. Mit der Rettungspolitik nähren wir die Feinde unserer offenen Gesellschaft. Jedem mit einem Funken liberalen Denkens in sich muss es davor grauen. Deswegen kämpfe ich so sehr und mit ganzem Herzen dagegen.

 

market-Interview.com: Vielen Dank Herr Schäffler für die interessanten Informationen.

 

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